Die Pandemie ist wie ein Brennglas – sie zeigt was wichtig ist

Viele Themen zum Kindeswohl standen auf dem Programm der zweitägigen Fachtagung „Forum Sozialpädiatrie“. Junge Patient:innen sorgten mit ihren Musik- und Tanzeinlagen beim Abendprogramm für Begeisterung bei den Anwesenden Ärzten, Therapeuten und Referenten. (Foto: Raphael Maass)

Das Forum Sozialpädiatrie fand in diesem Jahr im Saarland statt – es wurde organisiert und durchgeführt vom Sozialpädiatrischen Zentrum an der Marienhaus Klinik St. Josef Kohlhof Neunkirchen

Spiesen-Elversberg. Die rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums Sozialpädiatrie – SPZ-Mitarbeitende, Ärzte, Psychologen, Therapeuten und weitere Fachkräfte – kamen aus der gesamten Bundesrepublik. Zu dieser Veranstaltung, die Mitte März in Spiesen-Elversberg im Saarland stattfand, hatte das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) der Marienhausklinik St. Josef Kohlhof Neunkirchen eingeladen. Parallel zur Präsenzveranstaltung wurde das Forum Sozialpädiatrie auch online übertragen. Rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten diese digitale Möglichkeit und verfolgten die Veranstaltung am Bildschirm. An den beiden Tagen ging es mit den Themenschwerpunkten Behandlung und Förderung von Kindern mit Entwicklungsstörungen und Behinderungen, Inklusion in der Schule, Kinderschutz in Institutionen, Kinderschutz ist Klimaschutz, und Fragen der ambulanten Reha für Kinder und Jugendliche um die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

Ein ganz besonderer Fokus des Forums Sozialpädiatrie lag auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche mit Einschränkungen und ihre Familien. „Gerade diese Kinder haben besonders unter den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus gelitten“, betonte Prof. Dr. Ute Thyen, die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V., im Rahmen eines Pressegesprächs. Für die Betroffenen seien die soziale Distanz und die Einschränkungen ganz besonders schlimm gewesen. Hinzu kam, dass ein großer Teil der Infrastruktur während des Lockdowns weggefallen ist, auf die diese Familien dringend angewiesen sind. „Sie wurden in dieser Zeit einfach nicht gesehen. Die Behindertenhilfe hatte keine Priorität“, sagte sie.

Dr. Carsten Wurst, der stellvertretende Ärztliche Direktor des SRH Zentralklinikums Suhl und Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Neuropädiatrie, machte darauf aufmerksam, dass gerade viele Kinder mit Einschränkungen die Corona-Regeln, wie zum Beispiel das Tragen der Maske nicht verstanden haben und deshalb dann vom Schulbesuch ausgeschlossen wurden.

Die Auswirkungen seien jetzt zu beobachten: „Wir erleben, dass Kinder mit chronischen Belastungen sehr lange brauchen, um sich von den Folgen des Lockdowns zu erholen“, sagte Dr. Reiner Hasmann, der leitende Arzt des Sozialpädiatrischen Zentrum an der Marienhausklinik St. Josef Kohlhof. Auch gesunde Kinder seien in dieser Zeit oftmals auffällig und symptomatisch geworden. Sie hätten zum Beispiel Zwangsstörungen entwickelt. Als dann aber die Schulen wieder öffneten, sie ihr normales Leben zurückhatten und wieder ihre Freunde treffen konnten, „haben wir ganz viele Heilungen erlebt“, so Dr. Hasmann. Sie haben die Folgen schnell überwunden. Dennoch täusche das nicht darüber hinweg, dass bei sehr vielen Kindern massive Bildungseinbrüche zu beobachten sind. Und die Folgen können sie im schlimmsten Fall das ganze Leben begleiten.

Während der Pandemie sei die Nachfrage nach sozialpädiatrischen Leistungen im SPZ an der Marienhausklinik St. Josef Kohlhof stark gestiegen, so Dr. Hasmann. Nachdem das SPZ im März 2020 geschlossen wurde, „haben wir ein besonderes, gut funktionierendes Hygienekonzept entwickelt und konnten nach fünf Wochen mit reduzierter Bettenzahl wieder starten“, berichtet er. Folglich konnten bis ins 1. Quartal 2022 weniger Patienten stationär aufgenommen werden. Dafür wurde aber das ambulante Hilfsangebot ausgeweitet.

Die Pandemie sei wie ein Brennglas. Sie habe gezeigt, dass das ganze System der Betreuung und Förderung von Kindern mit Behinderungen keine Stressresilienz hat. „Wenn ein Rädchen in dem System ausfällt, bricht alles zusammen“, so die Erfahrung von Prof. Bieber. „Das haben wir auch im Sozialpädiatrischen Zentrum gespürt, denn oft waren wir in diesem Fall Ansprechpartner, um diese Familien zu stabilisieren“, bestätigte Dr. Hasmann.

Es müsse gewährleistet sein, dass Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen – und das betreffe rund 20 Prozent der Bevölkerung – in Krisen nicht abgehängt werden. „Deshalb müssen alle Systeme jetzt gestärkt werden“, so Dr. Andreas Oberle, der Ärztliche Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums am Olgahospital in Stuttgart und Vizepräsident der DGSPJ e.V. Dazu gehörten nicht nur die Sozialpädiatrischen Zentren, sondern auch die lokalen Hilfen wie Frühförder- und Beratungsstellen. Die Pandemie habe gezeigt, was jetzt wichtig ist. „Die Strukturen, die wir haben sind gut, sie müssen aber zukünftig gestärkt werden“, sagte Dr. Hasmann. (Bildergalerie)

 

 

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